Lange Mietzeit kann zusammen mit altersbedingter Krankheit zu Räumungsunfähigkeit führen

Bei einer Eigenbedarfskündigung kann eine lange Mietzeit verbunden mit altersbedingten Krankheiten und Gebrechen des Mieters dazu führen, dass die Eigenbedarfskündigung aufgrund besonderer vorgetragener Härte unwirksam ist und das Erlangungsinteresse des Eigentümers an der Wohnung zurückstehen muss.


In dem entschiedenen Fall kündigte der Vermieter dem Mieter wegen Eigenbedarf. Die Wohnung war seit über 20 Jahren an ein Ehepaar vermietet. Der Mieter war bereits 87 Jahre alt. Die Ehefrau machte geltend, dass ihr Ehemann an einer fortschreitenden Demenz leidet und nicht mehr alleine leben könnte. Wenn sie und ihr Ehemann die Wohnung und damit ihr gewohntes Umfeld verlassen müssten, so wäre zu befürchten, dass sich durch die drastischen Veränderungen die Demenz ihres Ehemannes verschlechtert und es dadurch zu erheblichen weiteren Beeinträchtigungen seines Gesundheitszustandes kommt.
Zudem wäre es in dem Alter des Ehemannes nur noch vernünftig, in betreutes Wohnen zu ziehen, was für die Ehefrau jedoch unangemessen sei, da sie noch rüstig sei und „nichts im betreutem Wohnen verloren habe“. Dies würde dazu führen, dass sich die Eheleute im Prinzip räumlich trennen müssten, was für sie untragbar sei. Das Berufungsgericht gab der Räumungsklage statt und sah die Interessen der Mieter nicht gegenüber den Interessen des Vermieters als vorrangig an. Der BGH verwies die Sache zurück und beanstandete, dass das Berufungsgericht kein Sachverständigengutachten zu dem Gesundheitszustand des Ehemannes eingeholt hat und die Behauptungen der Ehefrau als wahr unterstellt hat. In einem solchen Fall müsse jedoch ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, damit sich ein nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild verschafft wird, welche gesundheitlichen Folgen des Mieters mit einem Umzug verbunden sein können.
 
Bundesgerichtshof, Urteil BGH VIII 270 15 vom 15.03.2017
Normen: BGB § 574
[bns]